Naturdarm erobert die Lüfte
Fliegen – der Traum der Menschen. Jahrhunderte lang versuchten Wissenschaftler, alle möglichen Dinge in die Luft steigen zu lassen. Als man im 18. Jahrhundert die Kunde von Aufsehen erregenden Ballonfahrten in Frankreich auch in Deutschland vernahm, spornte dies den Direktor der Physikalischen Klasse der Berliner Akademie der Wissenschaften, Franz Carl Achard, an. So ließ er im Dezember 1783 seinen ersten „Aerostat“ in Berlin aufsteigen. Im Gegensatz zu seinen französischen Kollegen, deren Ballon aus geknüpfter Leinwand bestand und nach rund zehn Minuten abstürzte, benutzte Achard Goldschlägerhäutchen, die äußerst dünnen Außenhäutchen von Tier-Blinddärmen. Eigentlich dienten Goldschlägerhäutchen, mehrfach übereinander geklebt, als Unterlage bei der Herstel¬lung verschiedener Blattmetalle. Der mit Heißluft gefüllte Ballon stieg schnell auf und war nach nur acht Minuten den Blicken der staunenden Zuschauer auf Nimmerwiedersehen entschwunden.
Nach ersten Erfolgen baute man immer mehr der schwebenden Sensationen – mit unterschiedlichen Materialien. Zunächst fanden die Goldschlägerhäutchen beim britischen Prallluftschiff „Nulli Secundus“ Verwendung. Im Jahr 1908 ging man auch beim Bau der legendären Zeppeline in Friedrichshafen dazu über, die feinen Naturdärme als Hülle für die Gaszellen zu benutzen, weil sie sich nicht so leicht elektrisch aufluden und zudem eine größere Gasdichte aufwiesen. Man klebte die Häutchen in sieben und mehr Lagen übereinander und bekam ein sehr brauchbares, leichtes Material mit einem Gewicht von nur 163 g/m².
Doch natürlich wurden mit der Zeit die Goldschlägerhäutchen knapp. Kein Wunder, wenn man sich überlegt, dass immerhin rund 500.000 Stück für einen Zeppelin erforderlich waren. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs konnte der Bedarf nicht mehr gedeckt werden und aufgrund ihres höheren Gewichtes kamen Darmhäute von Rindern, Schweinen und Ziegen für die Luftfahrt nicht infrage. Hier endet die Geschichte vom Naturdarm im Himmel dann leider auch.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen